Wie es ist, mit prekären Jobs unter der Armutsgrenze leben zu müssen.

Für diejenigen von uns, die selbst noch nicht in Armut leben mussten, oder in ihrem Lebens bisher keine direkten Berührungspunkte dazu hatten, ist Armut meist etwas sehr abstraktes.

Wie es sich anfühlt in Armut leben zu müssen und wie weit Unsicherheit & Geldmangel wirklich jeden einzelnen Lebensaspekt beeinflussen, hat Tristan A. auf Twitter zusammengefasst .

Ich merk ständig an so kleinen Sachen, dass ich nicht mehr unter der Armutsgrenze leben muss. Eine Sammlung:

Ich habe gerade Pfandflaschen retourniert. Nicht wegen Geld-, sondern wegen Platzmangel. Ich bekomme routinemäßig zwischen Mitte und Ende des Monats einen Riesenstress. Merke dann aber, dass das Geld reicht. Ich ertrage es wieder Käsetoasts zu essen. Wenn man arm ist, kann man sich mit denen für nur 3 Euro über mehrere Tage retten. Ich konnte erstmals seit langer Zeit Freund*innen kleine Aufmerksamkeiten zum Geburtstag schenken.

Wenn die Tintenpatronen am Drucker, den ich zum Arbeiten brauch, ausgehen, dann kauf ich neue. Einfach so. Wenn ich krank werde und/oder Medikamente kaufe, kann ich mir sie trotz der Rezeptgebühr leisten. Generell, ich kann krank werden, ohne, dass es schwere finanzielle Einbußen bedeutet. Im Prekariat mit Scheinselbstständigkeit usw. gibt es keinen bezahlten Krankenstand.

Ich kann Angebote wie „2+1 gratis“ im Handel jetzt auch wahrnehmen. Das Angebot nutzt dir nämlich nichts, wenn das Geld schon kaum für eins reicht, geschweige denn zwei (plus eins gratis). Was absurd klingt, aber bitterernst ist: Ich hab jetzt weniger Ausgaben. Kann Dinge im Angebot kaufen, Rechnungen pünktlich bezahlen, muss nicht immer die wesentlich teurere Kleinpackung nehmen. Das und alles was ich bisher geschrieben habe zeigt: Arme werden arm gehalten.
 

Der Kühlschrank ist stets, zumindest minimal, befüllt. Es ist jetzt auch immer dunkles Brot daheim. Das war lange nicht selbstverständlich. Geld ausleihen, um ein Ticket zur Arbeit kaufen zu können, dass man hinterher rückerstattet bekommt… musste ich auch schon länger nicht machen.

Ich habe nie was gegen das Putzen, oder Plakate kleben gehabt. Aber es hat mich fertig gemacht jeden noch so miesen Job annehmen und mich selbst krank noch hinschleppen zu müssen. Solche Gespräche wie dieses gehören der Vergangenheit an: „He Tristan hast du Lust den ganzen Samstag Event aufzubauen, die Nacht als Security/Eingang durchzuarbeiten und am nächsten Tag das Event abzubauen? 10€ die Stunde.“ „Uff. Also… Uff. Fuck. Ja, ich hab Lust, wann soll ich da sein?“

Auf der Uni hatte ich ihnen mein Dilemma geschildert, alles was ich wollte waren etwas weniger brutale Deadlines. Die Antwort: „Sie müssen Priorisieren. Ihr Studium sollte höchste Priorität haben.“ Das in einem Studium, dass für sich in Anspruch nimmt besonders reflektiert und kritisch zu sein.

Ich mache mir Gedanken über ungesunde Gewohnheiten und wie ich sie ändern kann. Wenn man arm ist spielt das einfach keine Rolle, zu sehr ist man mit dem täglichen grind überfordert.

Viele der LeserInnen haben sich in dieser Aufzählung wieder erkannt und sie mit ihren Antworten bereichert. Einige der Erwiderungen finden sich hier:

Kennst du diese Taschentücher die man direkt aus der Pakung pflücken kann? Ich komme mir heute noch manchmal Maßlos vor wenn ich die kaufe.

Mich hat ja das erste mal an einer Theke Käse am Stück aussuchen realisieren lassen, dass das endlich vorbei ist. Seit dem ist es ok. Das war dieses krasse “Luxus” Gefühl und hat die Wahrheit einsickern lassen.

Kann ich gut nachempfinden, Deine Beispiele. Bei mir war es der Moment an dem ich Geld vom Automaten geholt hatte – und danach merkte dass ich keine Sorge hatte, ob ich auch Guthaben habe. Oder an der Kasse zu stehen, ohne Sorge dass die Kartenzahlung „mangels Deckung“ versagt.


Ich bin letztens an einer leeren Dose (25 Cent Pfand!) vorbeigegangen, ohne sie mitzunehmen. Fühlte sich sehr komisch an!


Neulich bin ich mal ins Kino gegangen und danach mit Freunden Pizza bestellt. Einfach so. Vor paar Jahren hätte ich das aus Scham wahrscheinlich mitgemacht. Allerdings hätte es für die Freunde nicht wirklich viel bedeutet und für mich wäre das Geld des Monats sogut wie weg.


Ich bekomme heute noch Panik Mitte des Monats und beim Zahlen mit Karte, obwohl ich schon länger nicht mehr arm bin (Kinderarmut, Studium ohne Rücklagen finanzieren…) Aber es prägt. Typisch finde ich auch das Verschieben von größeren, wichtigen Ausgaben. Könnte ja was sein.


Was bis heute bleibt: Ich entschuldige mich dafür, wenn an der Kasse die EC-Karte nicht funktioniert, weil ich zu viele Jahre gewusst habe, dass dann das Limit überzogen war.

Klopapier von der Arbeit mitgehen lassen, vom foodsharing leben, zigfach schwarz gefahren (zigmal erwischt sind ein teil meiner Schulden), nicht mit Freunden etwas unternehmen können weil das kostet Geld und mindestens die Fahrkarte usw usw..

Das allerschlimmste ist täglich an den Briefkasten zu gehen mit der Angst vor Rechnungen.